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Flucht und Vertreibung aus unserem Paradies
Wehe den Besiegten.
Als sich die russische Front unaufhaltsam in das Reichsgebiet verlagerte, sprachen sich wie ein Lauffeuer die, an der deutschen Zivilbevölkerung in Ostpreußen, begangenen Greueltaten herum. Es klang so unglaublich, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun können, aber die Wirklichkeit stellte danach alles noch weit in den Schatten.

 
Der Führerbefehl und die ihn ausführenden untergeordneten Befehlshaber verhinderten eine rechtzeitige Flucht der Zivilbevölkerung nach Westen. Wer flüchtete, wurde wegen "Feigheit vor dem Feind", standrechtlich erschossen und so blieb der Zivilbevölkerung (Alte, Kranke, Frauen und Kinder) nichts anderes übrig, als da zu bleiben und als lebendes Schutzschild alle Konsequenzen zu erleiden. Dabei wurden sie von den eigenen uniformierten Landsleuten "bewacht", damit eine Flucht unmöglich war.
Menschenverachtender kann ein Regime nicht mehr handeln.
 
Erst als der Kanonendonner der nahenden Front nicht mehr zu überhören war, durfte auch die Zivilbevölkerung fliehen. Viele der führenden Militärs hatten sich schon vorzeitig abgesetzt und in Sicherheit gebracht. Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass so mancher Offizier und einfache Soldat der Zivilbevölkerung aus Menschlichkeit bei der Flucht geholfen hat, teilweise unter Einsatz seines eigenen Lebens, indem er die von der Heeresleitung kommenden Befehle missachtet hat. Dafür hätten sie, ohne Verfahren, standrechtlich erschossen werden können und so ist es auch in den letzten Kriegstagen noch mit vielen hilfsbereiten Soldaten geschehen.
Unsere Flucht vor den Russen und Polen.
 
Ich habe lange überlegt, ob ich meine Erinnerungen, wenigstens in gemilderter Form, hier nieder schreiben soll. Aber ich bin einer der jüngsten Zeitzeugen, die es noch selbst erlebt haben, zu was Menschen im Positiven wie auch im Negativen fähig sind. Ich weiß, vieles klingt unglaubwürdig, aber das tatsächlich Erlebte ist noch viel Unglaubwürdiger für die Menschen der heutigen Zeit. Ich habe meinen Frieden mit der Vergangenheit gemacht und hege keinen Hass gegen die "Täter". Ich wünsche mir und uns Allen, dass mein Erlebnis-Bericht zum Nachdenken anregt, damit so etwas nie wieder passiert.

Am 22/23. Februar 1945 "durften" wir endlich auf den noch freien Straßen fliehen. Der Weg führte nach Süden Richtung Schneidemühl. Es war ein besonders strenger Winter mit sehr viel Schnee. Die Flucht mit der Eisenbahn oder dem Auto fiel aus. Alles fuhr nur für das Militär. Es blieb nur der Weg zu Fuß mit einem Handwagen, auf dem unsere ganze Habe verstaut war, durch den tiefen Schnee und das bei erheblichen Minusgraden und starkem Wind.
 
Mein Großvater war im ersten Weltkrieg so schwer verletzt worden, dass er als Gehbehinderter nicht mehr zum Militär eingezogen wurde und daher zu Hause war. Mein Großvater war selbstständiger Stellmacher und hat Holzpantoffeln hergestellt, die auf dem Markt in Neustettin verkauft wurden. In den letzten Jahren konnte er kaum noch arbeiten und so hat meine Großmutter in der Werkstatt gearbeitet und die Familie am Leben gehalten.
 
Wir sind zu Viert geflohen, mein kranker Großvater, meine Großmutter, meine Mutter und ich als knapp 4jähriger Junge. Am Tag haben die russischen Jagdflugzeuge die Trecks beschossen. Auf der Flucht erschossene oder an den Entbehrungen gestorbene Menschen und Pferde lagen im Straßengraben. Es muss ein grausames Bild gewesen sein. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern oder ich habe die Erinnerung daran mit Erfolg aus meinem Gedächtnis verdrängt. Nur an eines kann ich mich noch sehr gut erinnern, wenn die "Tannenbäume" vom Himmel kamen und wir irgendwo Schutz suchten. Unter Eisenbahnwaggons oder einfach nur an einem Baum gelehnt, weil mehr nicht da war. Es handelte sich um Phosphorkanister, die abgeworfen, in der Luft gesprengt wurden und brennend auf die Trecks fielen. Phosphor ist nicht zu löschen, sobald er mit Sauerstoff in Berührung kommt, brennt er wieder. Getroffen werden bedeutete einen sehr schmerzhaften und lange andauernden Todeskampf. Die Opfer konnten sich nicht einmal selbst erlösen, weil keine Waffe da war. Jedes Tier bekommt den Gnadenschuss nur der Mensch muss in solchen Situationen qualvoll krepieren. Wer diese Brandbomben auf die Trecks geworfen hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Es hatte keinerlei militärischen Nutzen sondern traf Menschen auf der Flucht und das war eindeutig für die Piloten erkennbar. Diesen Mordbefehlen hat sich kein Pilot widersetzt! Er hat "gehorsam" seine "Befehle" ausgeführt, oder war es einfach "Mordlust" bei der Jagd auf wehrlose Opfer?
 
Unter diesen Bedingungen waren wir 3 Wochen zu Fuß unterwegs, als uns die russischen Truppen von Südosten her kommend und zur Ostsee durchstoßend den Fluchtweg abschnitten und wieder zurück nach Neustettin drängten. Über die Ostsee wollte meine Oma nicht flüchten. Sie sagte "Wasser hat keine Balken". Damit hat sie uns das Leben gerettet. Das einzige noch erreichbare Schiff war die "Wilhelm Gustloff" und deren Schicksal ist hinlänglich bekannt. Es war die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten mit den meisten Toten. Jeder qm auf der Wilhelm Gustloff war mit Flüchtlingen besetzt. Das Schiff war mit tausenden von Flüchtlingen hoffnungslos überladen und wurde von einem russischen U-Boot torpediert. Der russische Kapitän wurde später sogar noch für seine "Heldentat" mit einem Orden ausgezeichnet.
Die Schiffbrüchigen hatten im eisigen Wasser der Ostsee keine Chance länger als 5 Minuten zu überleben. Es hat vorher oder nachher in der Geschichte der Seefahrt nie wieder einen Schiffsuntergang mit so vielen Opfern gegeben. Selbst beim Untergang der Titanic starben kaum 10% der Menschen, die mit der Wilhelm Gustloff untergingen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Es gab im Durcheinander keine Passagierlisten.
 
Auf der Flucht haben wir meinen Großvater bei Schneidemühl verloren. Ich habe nie erfahren wie das geschehen ist. Weder meine Großmutter noch meine Mutter haben darüber sprechen können. Es muss zu grausam gewesen sein. Erst Mitte 1951 haben wir von der "Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht in Berlin Wittenau" (ein Wortungetüm!) erfahren, dass mein Großvater am 25. August 1945 im Kriegsgefangenlager in Stargard im Alter von 63 Jahren umgekommen ist. Wir wissen bis heute nicht wie und woran er gestorben ist und wo er begraben wurde. Als meine Großmutter diese Nachricht erhalten hat, ist auch ihr Lebenswille erloschen. Wenige Monate später ist sie im Alter von nur 68 Jahren gestorben. Das ertragene Leid war einfach zu viel für sie.
 
Der Rückweg war an Grausamkeiten nicht mehr zu überbieten. Wir mussten buchstäblich über gefrorene Leichen gehen. Trecks mit Flüchtlingen, die nicht schnell genug von der Straße kamen, wurden von den russischen Panzern einfach überrollt auf ihrem Weg nach Berlin. Tiefflieger haben das Ihre beigesteuert um Flüchtlinge zu töten.

Ein Verbrechen hört nicht auf
ein Verbrechen zu sein,
wenn es in Reaktion auf ein
Anderes begangen wird.

 
Rüdiger Safranski
Schriftsteller
 
Über die gewaltsame Vertreibung der Deutschen.
Zitat aus der "Welt am Sonntag" vom 26.3.2006
Wieder zurück in Neustettin.
Nach ein paar Wochen waren wir wieder in Neustettin zurück. Unsere Flucht fand ein Ende. Die Wohnung meiner Großeltern und die meiner Eltern hatten inzwischen Polen besetzt und Deutsche galten als "Rechtlos" und waren "Freiwild". Jeden Tag wurden Menschen umgebracht, nur weil sie Deutsche waren.  Frauen waren Freiwild, wer sich wehrte wurde ermordet. Wir hatten keine Möglichkeit mehr in unsere eigenen Wohnungen zu kommen.
Wie wir unter dem Dach in der kleinen Schreinerei in der Mackensenstraße 17 untergekommen sind, weiß ich nicht. Der Wille zum Überleben muss es möglich gemacht haben. Wie es meine Großmutter und meine Mutter geschafft haben unser Überleben zu sichern ist mir vollkommen unklar und grenzt für mich an ein Wunder.

 
Wie Deutsche Freiwild waren, habe ich am eigenen Leib zu spüren bekommen. Als ich einmal im Hof der Schreinerei spielte, kam ein etwa 15jähriger Polenjunge, zog sein Messer und wollte mich umbringen. Ich konnte gerade noch schreiend zu meiner Großmutter rennen, die den Polenjungen verjagte. Ob er es wirklich ernst meinte, weiß ich bis heute nicht, aber ein knapp 4jähriger Junge erkennt keinen Unterschied zwischen Ernst und Angst machen. Für mich war es "tot ernst". Ich bin danach nur noch auf den Hof zum Spielen gegangen, wenn meine Mutter oder Großmutter dabei war, so tief saß die Angst vor dem Erlebten in mir.
 
Bedingt durch die Ernährung und die schlechten hygienischen Verhältnisse bekam ich am ganzen Körper die russische Krätze, einen sehr schmerzhaften Hautausschlag. Ich konnte mich kaum bewegen und wurde im Bollerwagen gefahren. Wie das ohne Medikamente wieder geheilt ist, ist ein weiteres Wunder in meinem Leben. (Ich weiß wie es geglückt ist, aber das Hausmittel ist nicht sehr hygienisch und wird hier lieber verschwiegen. Eingeweihte wissen es ohnehin.)
 
Zwischendurch wurden wir noch von Polinnen beklaut, die uns das Wenige das wir hatten, auch noch abnahmen. Die kamen einfach bewaffnet in die Wohnung, sahen sich um und nahmen mit was ihnen gefiel. Wehren ging nur mit äußerster Vorsicht, da Deutsche "Rechtloses Freiwild" waren, die ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, getötet wurden. So haben wir irgendwie bis zum Frühjahr 1946 überlebt.

 
Mit einfachen russischen Soldaten habe ich in der Nachkriegszeit gute Erfahrungen gemacht. Sie waren freundlich zu mir als Kind, spielten mit mir und gaben mir von ihrem Essen ab. Sie hatten selber Kinder in meinem Alter in Rußland und so verwöhnten sie mich ein wenig im Gedenken an ihre eigenen Kinder. Ich habe wahrscheinlich mehr zu essen gehabt als meine Großmutter und meine Mutter. Ab und an konnte ich auch etwas Essbares von den russischen Soldaten mit nach Hause bringen. So habe ich schon als 4 bis knapp 5Jähriger mit geholfen unser Überleben zu sichern.
 
Brutal waren Polen mit und ohne Uniform, aber besonders brutal waren Polinnen und Russinnen in Uniform. So habe ich es noch in Erinnerung. Denen gingen wir lieber nach Möglichkeit ganz weit aus dem Weg.
Die endgültige Vertreibung, der lange Weg in den Westen und der Neuanfang.
Am frühen Morgen des 20. März 1946 wurden wir aufgefordert innerhalb von 20 Minuten fertig zum Abmarsch vor dem Haus zu sein. Uniformierte  Polen trieben uns zum Bahnhof und verfrachteten uns in Viehwaggons. Wohin die Reise ging war unbekannt. Wenn der Zug unterwegs einmal hielt, wurden Tote herausgereicht. Ab und an gab es Wasser zu trinken. Beim Erreichen der Oder-Neiße Linie haben uns die Polen, alles was wir bei uns hatten, abgenommen. Wir hatten nur noch das, was wir am Leibe trugen. So erreichten wir das Gebiet der späteren DDR. Wir wurden bis Stralsund gefahren, dort lebte meine Tante. In Stralsund kamen wir für eine kurze Zeit unter und hatten endlich wieder richtiges Essen. Wir durften in Mecklenburg nicht bleiben, weil die Aufnahmekapazität des Landes überschritten war (Gott sei Dank, wie sich später heraus stellte) und mussten weiter nach Westen. Am 13.5.1946 erreichten wir das spätere Bundesgebiet. Nach der üblichen Entlausung mit einem riesigen Klistier, Ärmel und Hosenbeine wurden zugehalten, die riesige Puste am Kragen eingeführt und gepustet bis das Entlausungspulver überall wieder raus kam, erhielten wir nach einer ärztlichen Untersuchung die Aufnahmepapiere. Ich habe vor Schreck gebrüllt wie am Spieß. Das waren meine ersten Erfahrungen mit Amerikanern, oder waren es Engländer? Ich weiß es nicht mehr so genau. Endlich mal wieder satt essen mit dünner Suppe und Brot, das Gefühl ist nicht zu beschreiben. Nur wer gehungert hat, kann das nachempfinden.
 
Wir wurden weiter geleitet in das Sammellager Hörnum auf Sylt. Die ehemalige Kaserne der Marine am Rantumer Becken bei Hörnum war für Wochen unser Quartier. Bei den Fischern wurden für 5 RM je 10-Liter Eimer  Frischfisch gekauft und in alten Soldatenschränken selbst geräuchert. So haben wir unseren Hunger gestillt und überlebt bis wir einem Bundesland zur Aufnahme zugeteilt waren.
 
Unsere nächste Station war ein großer Bauernhof im Münsterland, weitab jeglicher Siedlung. Mittags wurde ich immer nach unten geschickt und musste auf der Treppe warten bis die Bäuerin mir eine Schüssel mit dampfenden Kartoffeln gegeben hat. Stolz trug ich meinen Schatz immer nach oben. Das war mein Beitrag zum Überleben.
Dies war nur eine kurze Zwischenstation bis wir weitergeleitet wurden nach Bockum-Hövel in die Dörholtstraße.
 
Dort hatten wir zu Dritt ein Zimmer mit einem Kanonenofen zum Heizen und Kochen. Wir hatten ein Dach über dem Kopf, das hatten noch lange nicht alle Heimat-Vertriebenen. Im strengen Winter 1946/47 weiß ich von einer allein stehenden Dame, dass sie in der Nacht auf der Kirchenmauer in Bockum-Hövel erfroren ist und morgens dort tot gefunden wurde. In Hamm bin ich eingeschult worden. Meine Oma hat mich jeden Morgen zu Fuß in die weit entfernte Schule gebracht und mittags wieder abgeholt. Fahrmöglichkeiten gab es nicht. Im Jahr 1948 hatte der Suchdienst des Roten Kreuzes endlich meinen Vater gefunden und er uns. Da Pommern verloren war, hatte er sich aus der Kriegsgefangenschaft, aus dem Kriegsgefangenenlager in Remagen, ins Rheinland entlassen lassen. Dadurch kam er früher frei. Alle Gefangenen aus den Ostgebieten wurden länger festgehalten, da niemand wußte wie es dort weiter gehen sollte. Er war auf einem Bauernhof in Widdendorf im Rheinland untergekommen. Mein Vater hat mich zuletzt als 1,5Jährigen gesehen und als wir uns das nächste Mal sahen, war ich schon 7 Jahre alt und im 2. Schuljahr. Er besuchte uns 1948 in Bockum-Hövel und dann begann der lange Weg durch die Instanzen der Behörden um die Familie wieder zusammen zu führen. Im September 1949 war es endlich soweit. Mit einem Tempo Dreirad fuhren wir den ganzen Weg ins Rheinland. Meine Mutter und ich vorne auf dem Beifahrersitz und meine Oma saß in einem Korbsessel auf der Ladepritsche. Unterwegs musste angehalten werden um unsere drei Kaninchen zu füttern. Mein erster Eindruck von Köln war der Dom inmitten einer Trümmerlandschaft und der zerbombte Neumarkt.
 
Unsere Vertreibung war nach 3,5 Jahren zu Ende. Dann begann die schwere Nachkriegszeit im Rheinland. Heimatvertriebene wurden böse beschimpft und entsprechend behandelt. Unwissen über den Leidensweg der Heimatvertriebenen und Unwillen, die zwangsweise zugewiesenen Neubürger hier zu akzeptieren, waren der Nährboden für ein sehr gespanntes Verhältnis. Es war, zugegeben, auch für die Rheinländer nicht gerade leicht.
 
Da ich den rheinischen Dialekt nicht sprach, fiel ich überall als Fremder sofort auf. Für mich war es überlebenswichtig den Dialekt möglichst schnell sprechen zu lernen und die andere Mentalität der Menschen zu verstehen um mich zu integrieren. Kinder können untereinander im seelischen Bereich sehr grausam sein.
 
Im Jahr 1958 zogen wir nach Kerpen im Rheinland und 1962 nach Frechen. Seit dieser Zeit bin ich hier zur Ruhe gekommen, habe einen Beruf erlernt, geheiratet, studiert und eine Tochter groß gezogen. Mir ist nichts in den Schoß gefallen, ich habe alles hart erarbeiten müssen. Aber das nötige Glück habe ich in meinem Leben auch gehabt. Ich bin sehr zufrieden. Unser Enkel ist unsere ganze Freude.

 
Ohne die sanfte "Überredung" meiner Frau mit ihr nach Neustettin zu fahren und die Vergangenheit zu besuchen, wäre ich heute nicht so ausgeglichen und könnte über dieses Thema nicht schreiben. Es schlummerte alles sehr tief vergraben in meinem Inneren und sollte eigentlich nie mehr ans Tageslicht geholt werden. Aber heute bin ich froh und meiner Frau sehr dankbar, dass ich dieses Thema meiner Vertreibung für mich persönlich bewältigt und verarbeitet habe. Ich kann es Jedem nur empfehlen sich mit der Vergangenheit ohne Hass zu beschäftigen und sie zu verarbeiten, es lohnt sich für das eigene Wohlbefinden.
 
Eine Marotte kann ich einfach nicht ablegen. Ich kann auch heute noch keine Lebensmittel wegwerfen. Die Erinnerungen an die Hungerjahre sind unauslöschlich in meinem Gedächtnis eingegraben.